Mit diesem Eintrag zwei Wochen nach unserer Rückkehr aus Istanbul beenden wir unseren Blog von der ersten Etappe unseres Pilgerwegs nach Jerusalem.
Wir hatten uns darauf gefreut, wieder zuhause zu sein. Am 17.11. war es dann so weit: wir landeten mit dem Flieger in Frankfurt und nach Zug- und Strassenbahnfahrt schließlich in Rottenbauer. Unsere Nachbarn hatten uns ein "Herzlich willkommen" über die Haustür gehängt, Blümchen und Willkommensgrüße erwarteten uns im Wohnzimmer - ein schöne Begrüßung und Ankommen. Trotzdem machte unsere Wohnung nach drei Monaten einen leeren und seltsam fremden Eindruck. Am nächsten Morgen haben wir mit Alfred Kraus, unserem "Heimatpfarrer", den Gemeindegottesdienst feiern können, in der Kirche von Rottenbauer, wo wir am 15. August aufgebrochen waren. Das war für uns ein wichtiger Baustein, um den Weg zu beschließen und auch innerlich wieder anzukommen in unserem Wohnort, in die Gemeinde, die Kirche hier und den Glauben, der uns begleitet hat.
Mit jedem Kontakt, den wir wieder aufgenommen haben, mit Erzählen und Hören, was die vergangenen Monate war, haben wir ein Stück mehr Fuss gefasst. Und auch unsere Wohnung wird allmählich wieder "bewohnt", nicht nur mit den Grünpflanzen, die von den Nachbarn in der Zwischenzeit gut versorgt wurden. Viele selbstverständliche Dinge des Alltags geniessen wir nun: nicht jeden Morgen Rucksack packen zu müssen, Wäsche nicht in irgendeinem Waschbecken mit der Hand sondern in der Waschmaschine zu waschen, mal wieder selber richtig zu kochen und vor allen Dingen, Familie und Freunde leibhaftig zu treffen - nicht nur per Telefon oder Internet.
Und doch: Bei all den Annehmlichkeiten und schönen Seiten des Lebens hier bleibt auch nach zwei Wochen ein Stück Fremdheit. Zu vielem hier ist ein (sicher auch gesunder) Abstand entstanden, manches steht in einem großen Kontrast zu dem, was wir auf dem Weg erlebt und gelebt haben: plötzlich wieder Vorräte einzukaufen, wo wir unterwegs praktisch von der Hand in den Mund gelebt haben; sich im Auto fortzubewegen (und die Unsicherheit, das erste mal wieder am Steuer zu sitzen); uns mit der Frage neuer Stellen zu beschäftigen, obwohl unser Sabbatjahr erst drei Monate alt ist; die Adventszeit, die für unsere innere Uhr viel zu früh kommt; der Lebensstandard, in den wir uns hier so schnell wieder einklinken. Aber es bleiben Bilder und Erinnerung an Lebensverhältnisse, die ganz anders sind; Erfahrungen vom Weg, die nicht so schnell verblassen und ab und zu kommt auch Fernweh, z.B. wenn in der Zeitung vom Großen Basar in Istanbul zu lesen ist.
Auch zwei Wochen nach unserer Rückkehr geht es mir (Brigitte) wie beim Heimkommen nach längeren Exerzitien. Da brauche ich Zeit für mich, um das Erlebte nachklingen zu lassen. Und auch das, was ich auf unserem Pilgerweg erfahren und erlebt habe, braucht viel Zeit zum Nachspüren und, sonst kann es ganz schnell vom "Normalbetrieb" wieder zugedeckt werden . Wie gut, dass ich im Moment im Sabbatjahr bin und diese Zeit auch habe. Zeit, "mich nicht zu gewöhnen" (Hilde Domin), die inneren Wurzeln zu pflegen und mit Vertrauen auf die neuen Wege zu zugehen.
Für mich (Wolfgang) stand die spannendste Frage in der E-Mail einer Freundin von Brigitte. Sie fragt danach, "wie sehr ihr euch wohl verändert habt bzw. das Erlebte euch verändert hat". Darauf habe ich im Moment noch keine fertige Antwort. Nur so viel, dass der Weg sicher etwas in mir verändert hat. In welche Richtung wird, glaube ich, erst langsam für mich greifbar werden und braucht vielleicht auch noch die zweite Etappe nach Jerusalem. Auf jeden Fall in eine gute Richtung - jedenfalls möchte ich die drei Monate nicht missen und würde den Weg auf jeden Fall wieder gehen, wenn ich es noch einmal zu entscheiden hätte.
Veröffentlicht: 01.12.2009 Brigitte und Wolfgang Zecher